Bei der Übersee-Premiere der Tourenwagen-WM in der 2-Millionen-Metropole Puebla/Mexiko konnte Marc Hennerici in beiden Läufen wichtige Punkte für die vom Automobil-Weltverband FIA ausgeschriebene Privatfahrerwertung erringen. Damit verteidigte der 23-Jährige auch die Führung in der so genannten „Independents-Trophy".
Die neue und erst eine Woche zuvor fertiggestellte 3,032 km lange und kürzeste Rennstrecke im WM-Kalender, 120 km südöstlich von Mexiko-Stadt stellte aber vor allem die heckgetriebenen BMW-Piloten vor eine beinahe unlösbare Aufgabe. Die dünne Luft in rund 2.200 Meter Höhe kostete mehr als 20 Prozent Motorleistung und raubte damit den BMW-Sechszylindern mehr Kraft als den Vierzylindern der Konkurrenz. Zum winkligen Streckenlayout passte außerdem selbst die kürzeste homologierte Übersetzung nicht. Aber das war noch nicht alles: Bereits bei den Besichtigungsfahrten, die noch mit privaten PKW durchgeführt wurden, brach der Asphalt an einigen Stelle auf. Das Problem wurde zwar mit Zement als Bindemittel teilweise gelöst, damit war die Strecke aber zumindest neben der Ideallinie wegen des hohen Staubanteils sehr rutschig und nur unter erheblichem Risiko befahrbar. Erst langsam baute sich am Rennwochenende ein gewisser Grip für die Reifen auf, den allerdings die Piloten der frontgetriebenen Konkurrenz viel besser nutzen konnten. „Die Strecke war in einem katastrophalen Zustand. Es war sehr gefährlich wenn man neben der Ideallinie fuhr", meinte der Mayener, der jedes Risiko vermied und nicht einmal enttäuscht über den 21. Startplatz war, denn direkt vor ihm stand mit Markenkollege Alessandro Zanardi immerhin der frühere Formel-1-Pilot und zweimalige US-Cart-Champion.
Auch die BMW-Werksfahrer Dirk Müller und Andy Priaulx, die als Erster und Zweiter in der Gesamtwertung angereist waren, kamen mit den Bedingungen nicht zurecht und qualifizierten sich für die enttäuschenden Startpositionen 16 und 15.
„Obwohl wir mit trockenem Wetter rechnen konnten, haben wir uns für ein Regen-Setup entschieden", erklärte Hennerici die Schwierigkeiten, eine passende Abstimmung für die „Rutschbahn" zu finden: „Weicher, weicher und noch weicher hieß die verrückte Formel."
Was sich schon im Training und Qualifying angedeutet hatte, bestätigte sich auch in beiden Rennläufen. Unter diesen Bedingungen waren die BMW-Piloten chancenlos und deshalb konnte die Marschroute für Hennerici nur lauten: Kein Ausfall und trotzdem noch ein Paar Punkte ergattern.
Vor ausverkauften Tribünen mit 42.500 Zuschauern begann das erste der beiden Rennen für den früheren Alfa-Cup-Gewinner denkbar schlecht, denn bereits in der ersten Runde verbremste sich Hennerici und konnte deshalb nicht mehr attackieren. Deshalb musste sich der Volkswirtschaftsstudent am Ende mit dem 17. Platz und Rang 6 unter den Privatiers begnügen. In Lauf zwei lief es dann etwas besser, denn da konnte Hennerici sogar seinen direkten Verfolger in der Tabelle, den schwedischen BMW-Piloten Carl Rosenblad in einem nervenaufreibendem Kampf um nur 0,431 Sekunden distanzieren. Der Lohn für die bis zum Schluss äußerst konzentrierte Leistung waren die Positionen 14 und 4 in den beiden jeweiligen FIA-Wertungen.
„Jeder Überholversuch war ein reines Abenteuer. Deshalb habe ich nicht zuviel riskiert, wollte auf jeden Fall das Ziel sehen und habe dabei mehr an die Punkte gedacht", meinte Hennerici, dessen Taktik voll aufging. Allerdings ist der Vorsprung in der Privatfahrerwertung dennoch etwas geschmolzen. Zwar konnte sein bisheriger Verfolger Rosenblad keine Punkte gut machen, dafür aber der Niederländer Tom Coronel, der im Seat Toledo diesmal bester Privatfahrer war und damit auch auf Rang zwei in der Tabelle kletterte. Hennerici hat bei Halbzeit nach 10 von 20 WM-Läufen bei 62 Punkten noch 15 Zähler Vorsprung auf Coronel (47). Rosenblad ist mit 43 Punkten auf Rang drei zurückgefallen. Unter den 16 Piloten aus insgesamt neun Nationen, die um ein Preisgeld von 350.000 Euro kämpfen, hat eigentlich nur noch das Trio an der Spitze beste Chancen auf den Gesamtsieg. „Unser Ziel möglichst viele Punkte mit nach Hause zu nehmen, haben wir unter den erschwerten Bedingungen erreicht. Jetzt gilt es für Marc, in der zweiten Saisonhälfte aus Kampfgeist, Aggressivität und taktisch klugem Verhalten die richtige Mischung zu finden, um die Führung in der Tabelle zu verteidigen", sagt Dr. Hugo Koch, Manager von mo-we-ko Motorsport Koblenz, der damit auch die Marschroute für seinen Schützling bis zum Saisonfinale in Macau/China vorgab.
Die Siege in den beiden Sprintrennen in Puebla holten sich der Italiener Fabrizio Giovanardi im Alfa Romeo 156 und Seat-Werksfahrer Peter Terting aus Kempten. Obwohl Dirk Müller in beiden Läufen keinen einzigen Punkt erringen konnte, behielt er die Gesamtführung, hat bei 47 Zählern aber nur noch zwei Punkte Vorsprung gegenüber Giovanardi (45).
Die Läufe 11 und 12 zur Tourenwagen-WM finden am 30. Juli im Rahmenprogramm des 24-Stunden-Rennens von Spa/Belgien statt.
- Dr. Hugo KOCH -